Am Donnerstag, den 8. November 2018 trafen sich Interessierte zur Fachveranstaltung „KINDER.SPIEL.PLATZ.- Wieviel Spielplatz braucht das Kind?“ des Bündnis für Familie im Landratsamt ERH, darunter Verantwortliche aus Kindertagesstätten und Gemeinden sowie einige Bürgermeister/innen.
Heike Krahmer, Leiterin des Amt für Kinder, Jugend und Familie begrüßte im Namen das Landrates und erklärte, dass sich bei der Beschäftigung mit dem Thema eine große Brisanz offenbarte, die das Aufwachsen unserer Kinder betrifft: „Sie spielen immer weniger Draußen, bewegen sich zu wenig und sind viel mehr beaufsichtigt, als wir das aus unserer eigenen Kindheit kennen. Das alles hat keinen geringen Einfluss auf ihre gesunde soziale und körperliche Entwicklung, die uns als Landkreis- Jugendamt und Bündnis für Familie – sehr am Herzen liegt.“
Mit drei Referenten ging es durch den Mix aus Wissenschaft und Praxis. Der rote Faden zog sich dabei durch empirische Forschungsergebnisse von Prof. Dr. Höfflin der Evangelischen Hochschule-Ludwigsburg, über die Prinzipien der Spielphilosophie, mit Spielplatzentwickler Matthias Sauer, hin zum konkreten Beispiel der Spielachse -West, vorgestellt von Bürgermeisterin Herbst aus Spardorf.
„Lediglich 22% der Mädchen und 29% der Jungen im Alter von 3 bis 17 Jahren erreichen die Bewegungsempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation, nach der Kinder und Jugendliche 60 Minuten Bewegungszeit pro Tag absolvieren sollten“, berichtet Prof. Dr. Höfflin und erläutert in seinem Vortrag, wie sich das Spielen im Freien der Kinder über Generationen verändert hat. So sei das „freie Draußenspiel“ ohne Beaufsichtigung der Eltern heute durch die Folgen der Bau- und Stadtplanung, die Reduzierung freier Zeiten durch zunehmende Institutionalisierung der Kindheit und die ausgeprägte Sicherheitsorientierung in Gefahr. Kinder sind heute länger in Einrichtungen, wie Hort oder Ganztagsbetreuung und Freizeit findet meist organisiert und angeleitet statt. „Manche Dinge, wie z.B. Durchsetzungsfähigkeit und Respekt vor anderen lernen Kinder jedoch nur ohne Erwachsene“. Die Studie „Raum für Kinderspiel!“ – in Auftrag gegeben vom Deutschen Kinderhilfswerk – hat ergeben, dass „die Möglichkeiten zum ‚freien Spiel‘ und das Wohnumfeld einen starken Einfluss auf den Kinderalltag und die Entwicklung von Kindern haben“, so Höfflin. Wenn Spielorte zugänglich sind, Kinder gestalten und entdecken können, keine Gefahren durch Verkehr drohen sowie die Möglichkeit besteht, sich mit Gleichaltrigen zu treffen, fördert das die Zeit, die draußen ohne Aufsicht verbracht wird (durchschnittlich 106 Minuten). Genau umgekehrt verhält es sich, wenn schlechte Bedingungen vorherrschen: Die Zeit des unbeaufsichtigten Spiels im Freien beträgt dann nur noch 17 Minuten im Durchschnitt.
Was Kinder brauchen und wie Spiel- und Aktionsflächen unter Beteiligung der Anwohner entwickelt werden können, weiß Matthias Sauer als Spielplatzentwickler. Dazu gehört „Ideen gemeinsam finden und den Spielraum mit natürlichen Materialien so zu gestalten, dass sich entdecken, experimentieren und lustvoll spielen lasst“, berichtet er aus seiner langjährigen Praxis.
Dass sich Eltern, Kinder und manchmal auch mehrere Generationen in für solche Projekte gewinnen lassen, zeigt sich auch im Landkreis. Die Erste Bürgermeisterin aus Spardorf, Birgit Herbst, und Sauer kennen sich bereits von der Entwicklung der Spielsache-West in Spardorf, von der Herbst eindrucksvoll und begeistert berichtet: Nicht einzelne isolierte Spieleplätze gibt es dort, sondern einen Grünzug, der sich durch das ganze Neubaugebiet zieht und durch dessen Mitte ein Wasserlauf mäandert, beschreibt die Bürgermeisterin den Spielraum, an dem sie auch selbst mitgebaut hat. Die Fläche wurde nicht eingeebnet sondern modelliert, so dass sich dort Hügel und Nischen finden. Ein „Berühr-den Boden-nicht-Pfad“ à la Pippi-Langstrupf aus naturbelassenem Holz wurde gemeinsam gebaut und regt zum Balancieren an. Auch ein geschützter Kleinkindbereich steht zur Verfügung. Das Areal lädt mit seinen naturnahen Räumen und Flächen ein, sich ins Spiel zu vertiefen und spricht Kinder verschiedener Altersgruppen an. „Eine gute Planung kümmert sich um die Pädagogik und eine kinderfreundliche Stadtentwicklung fördert die soziale Stadtentwicklung“, bemerkt Prof. Höfflin. „Die Mitbauaktion an der Spielsache-West in Spardorf hat gezeigt, dass dadurch auch die Bewohner zueinander gefunden haben“, bestätigt die Bürgermeisterin.
„Mit dieser Fachveranstaltung wollten wir den Blick schärfen, die Vernetzung fördern und Impulse für zukünftige Bau-Projekte in unserem Landkreis geben – was uns bestimmt gelungen ist“, resümieren die Familienbeauftragten Katja Engelbrecht-Adler und Markus Hladik, unter deren Federführung diese Fachveranstaltung organisiert wurde.
Links und Kontakte zur Veranstaltung:
Studie „Raum für Kinderspiel!“
https://www.dkhw.de/schwerpunkte/spiel-und-bewegung/studie-raum-fuer-kinderspiel/
„Argumente & Analysen“, Konrad Adeneauer Stiftung
https://www.kas.de/analysen-und-argumente/detail/-/content/draussen-spielen-ein-unterschaetzter-motor-der-kindlichen-entwicklung
DIN: „Spielplätze und Freiräume gestalten – Ein Handbuch für Planung und Betrieb“, Beuth Verlag
Grußwort Heike Krahmer, Leiterin Amt für Kinder, Jugend und Familie Erlangen-Höchstadt
Prof. Dr. Höfflin: p.hoefflin@eh-ludwigsburg.de
Spielplatzentwickler Matthias Sauer: ossi-leo@t-online.de http://www.ochsenfurterspielbaustelle.de
Erste Bürgermeisterin Birgit Herbst, Spardorf: birgit.herbst@vg-uttenreuth.de